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Die neue Reihe Osteuropa in Geschichte und Gegenwart kommt einem wachsenden Bedürfnis nach profunder Analyse zu zeitgeschichtlichen und aktuellen Entwicklungen im östlichen Teil Europas nach. Osteuropa ist geographisch weit gefasst und umfasst einen Raum, der im Wesentlichen die sozialistischen Länder des ehemaligen „Ostblocks“ einschliesst, wobei Russland und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion einen Schwerpunkt bilden sollen. Die Reihe ist interdisziplinär ausgerichtet. Historisch orientierte Arbeiten sollen ebenso einbezogen werden wie solche, die sich mit gegenwartsbezogenen politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen auseinandersetzen.
Die Reihe erscheint im Böhlau-Verlag der Vandenhoeck & Ruprecht Verlagsgruppe und wird im Auftrag des Center for Eastern European Studies (CEES) herausgegeben von Tanja Penter (Universität Heidelberg), Jeronim Perović (Universität Zürich) und Ulrich Schmid (Universität St. Gallen).
Bernhard Braun: Moskaus (in)existente Mittelschicht. Eine Ethnographie. Mit einem Vorwort von Elisabeth Schimpfössl, Wien, Köln: Böhlau, 2022 (E-Book), 2023 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 11).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Die russische ‚Mittelschicht‘ ist seit dem Ende der Sowjetunion ein wissenschaftlich wie gesellschaftlich viel beachtetes Thema. Im Kontext der postsozialisten Umbrüche galt sie im politischen Diskurs als Indikator für eine erfolgreiche Transformation hin zur Marktwirtschaft. Doch kann es im heutigen Russland, einem Land, in dem die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung über 83 Prozent des Haushaltsvermögens verfügen, überhaupt eine ‚Mittelschicht‘ geben? Bernhard Braun löst sich in seinem Buch von eurozentrischen Entwicklungsnarrativen und nähert sich der Moskauer ‚Mittelschicht‘ durch ethnographische Forschung an. Das Buch ermöglicht einen Blick hinter die Fassade eines viel zitierten Begriffs. Es zeigt die Vielfalt der Moskauer Mittelschichten auf und stellt die sie charakterisierenden Prozesse sozialer Abhängigkeiten und die respektiven Adaptionsstrategien in den Mittelpunkt. So ermöglicht Brauns Analyse ein tiefgreifenderes Verständnis der russischen Gesellschaft und ihrer Dynamiken.
Michael Galbas: Pflichterfüllung. Erinnerungen an den sowjetischen Afghanistankrieg in Russland, Wien, Köln: Böhlau, 2022 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 10).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Als die NATO-Truppen im Jahr 2021 aus Afghanistan abzogen, überließen sie das Land seinem Schicksal. Ähnliches vollbrachte die UdSSR mehrere Jahrzehnte zuvor. Zwischen 1979 und 1989 intervenierte sie mit über 600.000 Soldaten in Afghanistan, konnte es aber dauerhaft nicht befrieden, was schließlich zum Abzug sowie zum Sturz der damaligen Regierung führte. Den längsten Krieg der sowjetischen Geschichte bezahlten circa 15.000 UdSSR-Bürger mit dem Leben. Davon ausgehend untersucht die Studie auf Grundlage von selbst erhobenen lebensgeschichtlichen Interviews, wie sich ehemalige sowjetische Kriegsteilnehmer in Russland heute an den Krieg erinnern, welche Bedeutung sie ihm beimessen und sie als Gruppe versuchen, Anerkennung für ihren Einsatz von der russischen Regierung und der Gesellschaft zu erhalten.
Thomas Bohn: Heldenstadt Minsk. Urbanisierung à la Belarus seit 1945, Wien, Köln: Böhlau, 2022 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 9).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Das Bild von über hunderttausend Demonstranten auf den Straßen der Hauptstadt Minsk an den Sonntagen nach der manipulierten Präsidentenwahl vom 9. August 2020 hat sich in den Köpfen der deutschen Öffentlichkeit eingeprägt. Die weiß-rot-weiße Revolution spielte sich an einem Ort ab, der nach 1945 mit seinen überdimensionierten Plätzen und ausladenden Alleen als Musterstadt des Sozialismus inszeniert worden ist. Aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs ging eine sowjetische Heldenstadt hervor, deren rasantes Wachstum als Minsker Phänomen bezeichnet wurde. Die Eigendynamik dieser Entwicklung hat dafür gesorgt, dass Urbanität durch Dichte entstanden ist. Von einer Atomisierung der Gesellschaft kann seitdem nicht mehr die Rede sein. Stattdessen definieren sich die Helden in der Stadt wieder neu. Jeder, der wieder eine Reise in die Republik Belarus unternehmen will, benötigt eine Handreichung, um sich über die Lage vor Ort zu informieren. Die zweite, überarbeitete Auflage dieses Buches bietet nicht nur ein neues Kapitel über die Kommentare auf den Stimmzetteln bei den Wahlen zum Obersten Sowjet von 1958 und das Leben des vermeintlichen Kennedy-Attentäters Lee Harvey Oswald in Minsk in den Jahren 1959-1962, sondern auch einen Ausblick über die städtebaulichen Entwicklungen bis in die Gegenwart. Darüber hinaus gibt es Straffungen im wissenschaftlichen Apparat sowie im dokumentarischen Anhang. Die erste Auflage erschien 2008 unter dem Buchtitel: "Minsk - Musterstadt des Sozialismus: Städteplanung und Urbanisierung in der Sowjetunion nach 1945".
Fabian Lüscher: Nuklearer Internationalismus in der Sowjetunion. Geteiltes Wissen in einer geteilten Welt, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2021 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 8).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
»Lenin bricht das Eis des Kalten Kriegs!« Diese Parole, die direkt auf den 1959 in Dienst gestellten nuklear betriebenen Eisbrecher der sowjetischen Arktisflotte anspielte, nutzte Nikita Chrušcev, um die vordergründig friedlichen Ziele des sowjetischen Atomprogramms und den demonstrativen Willen zu wissenschaftlich-technischer Kooperation und Konkurrenz mit dem Westen zu propagieren. Die Forschungsliteratur zur sowjetischen Nukleargeschichte hat bisher das Wettrüsten in den Vordergrund gerückt. Der blockübergreifende Wissensaustausch und technologische Wettstreit rund um die Kernenergienutzung ist Thema der vorliegenden Studie. Der Autor entwickelt das Konzept des nuklearen Internationalismus und kombiniert die Geschichte militärischer und ziviler Kernenergienutzung. Die Studie definiert technische Notwendigkeiten und politische Programme als zwei wechselwirkende Triebkräfte der Nukleargeschichte – einer Geschichte, die nicht nur in der arktischen Schifffahrt weit über das Ende der Sowjetzeit nachwirkt.
Dunja Krempin: Sibirische Wucht. Der Aufstieg der Sowjetunion zur globalen Gasmacht, 1964-1982, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2020 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 7).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Die Förderung sibirischen Erdgases und der Pipelinebau nach Europa waren das letzte industrielle Mammutprojekt der Sowjetunion – und zugleich eines ihrer erfolgreichsten Wirtschaftsprojekte. Der langfristige Erfolg zeigt sich bis heute im Export von Erdgas aus der Russischen Föderation. Auf den ersten Blick scheint es, dass die Sowjetunion aufgrund ihres immensen Erdgasreichtum für diesen Wirtschaftsweg prädestiniert war, nachdem sie sich zuvor bereits als Exportmacht für Erdöl etabliert hatte. Die detaillierte Analyse sowjetischer Quellen zeigt jedoch, dass in den 1960er bis 1980er Jahren intensive Debatten geführt werden mussten, ehe man sich zu einem kostspieligen arktischen Gasprojekt durchrang. Mobilisierungsbestrebungen, veränderte Sichtweisen auf die Energieversorgungssicherheit sowie der Wunsch nach engeren Beziehungen zu den kapitalistischen Ländern waren die Eisbrecher, die dem Erdgas in der Spätphase des Kalten Krieges letztlich den Weg aus der sibirischen Kälte bahnten.
Peter Collmer, Ekaterina Emeliantseva Kolle, Jeronim Perović (Hg.): Zerfall und Neuordnung. Die »Wende« in Osteuropa von 1989/91, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2019 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 6).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Markus Mirschel: Bilderfronten. Die Visualisierung der sowjetischen Intervention in Afghanistan 1979–1989, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2019 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 5).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Das Ziel der UdSSR: eine afghanische Stabilität. Das Ergebnis: eine sowjetische Instabilität. Als die Sowjetunion 1979 Soldaten nach Afghanistan verlegte, geschah dies im Geheimen – offizielle Bilder gab es nicht. Die Militärzeitung Krasnaja Zvezda sowie das Zentralorgan Pravda agierten zu Beginn der 1980er Jahre als Partner im Geiste. Die UdSSR als Friedensmacht stand den Genossen in Kabul auch visuell helfend zur Seite. Als die letzten sowjetischen Soldaten 1989 das Land am Hindukusch verließen, war das Ereignis im Fokus der medialen Öffentlichkeit. Was war geschehen? Der extern geführte Konflikt auf afghanischem Boden war zu einer innersowjetischen Auseinandersetzung über die mediale Deutungshoheit, die soziale Verantwortung sowie den Umgang mit den Ereignissen erwachsen. Die Studie betrachtet den strategischen Gebrauch fotografischer Bilder zum sowjetisch-afghanischen Konflikt und wertet sie als Impulse für eine gesellschaftliche Transformation.
Felix Frey: Arktischer Heizraum. Das Energiesystem Kola zwischen regionaler Autarkie und gesamtstaatlicher Verflechtung, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2019 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 4).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Die Halbinsel Kola im Nordwesten Russlands stellte die sowjetische Verwaltung vor ein Energieproblem. Kola war zwar reich an Bodenschätzen, verfügte jedoch über keine fossilen Brennstoffe. Wie die Region mit Energie zu versorgen sei, war über Jahrzehnte ein Verhandlungsgegenstand. Sowjetische Botaniker forschten auf der Halbinsel Kola an einer arktistauglichen Kartoffel. Zur selben Zeit entstanden Wasserkraftwerke jenseits des Polarkreises; Kumpel förderten Kohle in gefrorenen Minen. Diese Bemühungen der 1930er Jahre verband ein Leitgedanke: Die Energieversorgung jeder sowjetischen Region sollte eigenständig sein. Nach 1945 wich diese Maxime vermehrt überregionalen Interdependenzen. Kola verband sich durch Hochspannungsleitungen, Brennstoffeinfuhr und internationale Kraftwerkprojekte immer stärker mit fernen Landschaften. Regionale Autarkie und gesamtstaatliche Verflechtung waren Grundgedanken sowjetischen Verwaltungshandelns, dessen Erbe nicht nur im Energiesektor bis heute nachwirkt.
Katja Doose: Tektonik der Perestroika. Das Erdbeben und die Neuordnung Armeniens, 1985–1998, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2019 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 3).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Eine der verheerendsten Katastrophen in der Geschichte der Sowjetunion war das Erdbeben, das am 7. Dezember 1988 den Norden der damaligen Sowjetrepublik Armenien zerstörte und sich aufgrund eines fehlenden Katastrophenmanagements sowie mangelnder Ressourcen beim Wiederaufbau zu einem politischen Desaster entwickelte. Das Erdbeben in Armenien traf eine Sowjetrepublik, die sich seit Ende 1987 längst in politischer Aufruhr sowie im ethnischen Konflikt mit Aserbaidschan um die Enklave Bergkarabach befand. Als pulsierender Fokus offenbarte die Katastrophe den Zustand der Sowjetordnung und die auseinandertreibenden zentrifugalen Kräfte, die zunehmend mehr Souveränität von Moskau forderten. Die Studie untersucht mit einem Schwerpunkt auf den Jahren 1988-1991, wie die Erdbebenkatastrophe den sozialen und politischen Wandel in Armenien prägte und sich somit von Bedeutung für die Zerfallsgeschichte der Sowjetunion erwies.
Andreas Hilger: Sowjetisch-indische Beziehungen 1941–1966. Imperiale Agenda und nationale Identität in der Ära von Dekolonisierung und Kaltem Krieg, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2018 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 2).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Für die Sowjetunion war das unabhängige Indien über Jahrzehnte hinweg ein zentraler Ansprechpartner in der Dritten Welt. Am Beispiel der sowjetisch-indischen Beziehungen sollten Vorteile der friedlichen Koexistenz sowie sozialistischer Politik, Wirtschaft und Kultur zugleich demonstriert werden. Aus der Sicht Delhis bot die Zusammenarbeit die Chance, selbständige Entwicklung und internationale Friedenspolitik voranzutreiben. Die Studie zeichnet den schwierigen Start der Beziehungen und ihre zunehmende Verdichtung nach. Die genaue Analyse der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen mit ihren unterschiedlichen Zielsetzungen zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Verbindung zwischen Nationalstaat und Imperium unter den Bedingungen von Kaltem Krieg und Dekolonisierung nach 1945 auf.
Felix Rehschuh: Aufstieg zur Energiemacht. Der sowjetische Weg ins Erdölzeitalter, 1930er bis 1950er Jahre, Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2018 (= Osteuropa in Geschichte und Gegenwart, Band 1).
Verlagsankündigung Böhlau/Vandenhoeck & Ruprecht
Russland zählt seit Jahrzehnten zu den führenden Produzenten, Verbrauchern und Exporteuren von Erdöl und anderen fossilen Energieträgern. Besonders für die brennstoffarmen europäischen Volkswirtschaften ist der östliche Nachbar deshalb von essentieller Bedeutung. Doch obwohl schon das Zarenreich als gewichtiger Erdölexporteur auftrat und die Bolschewiki dieses Erbe bereitwillig antraten, fristete der Energieträger in der Sowjetunion lange Zeit ein Nischendasein. Erst die Entwicklungen der späten 1940er Jahre gaben die entscheidenden Impulse, den Weg ins Erdölzeitalter endgültig zu beschreiten. Dieses Buch thematisiert aus der Perspektive der Moskauer Machtzentralen die wenig beleuchtete, aber entscheidende Phase sowjetischer Energiepolitik zwischen 1938 und 1953. Im Kontext innenpolitischer und internationaler Entwicklungen fragt es nach den Hintergründen des sowjetischen Aufstiegs zur globalen Energiemacht.